How to stop breathing
2018
Fotografie
Ausdrucke auf Folie
je 370 x 27
cm
In der Ausstellung "deep sea" in der Städtischen Galerie Bremen und im Ystads Konstmuseum (Schweden)
Sara Förster unterzog sich einem persönlichen Experiment. Über einen Zeitraum von mehreren Monaten stellte sie ihre eigenen Erfahrungen in den Mittelpunkt eines künstlerischen Forschungsprojektes. Um sich dem Thema Tiefsee zu nähern, beschloss sie, das Apnoetauchen zu erlernen, das es ihr ermöglicht, so lange wie möglich ohne Sauerstoff und ohne mechanische Hilfsmittel unter Wasser zu bleiben.
Diese alte Methode, die auf extrem langem Atemanhalten basiert, wird beispielsweise seit jeher von Perlentauchern praktiziert. In letzter Zeit ist es zu einem Extremsport geworden, mit der Forderung nach immer längeren Tauchzeiten. Für Sara Förster war die Faszination für eine Handlung, die dem menschlichen Instinkt zuwiderläuft, und die Erfahrung einer Welt, die uns sonst unzugänglich bleibt, eine Motivation um zu erfahren, was Apnoetaucher zu diesem Sport antreibt.
Förster überwindet die Hürde dessen, dass dem Menschen ein Leben unter Wasser verwehrt wird. Ihre Tauchgänge eröffnen ihr eine der faszinierendsten und fremdartigsten Welten, die zugleich die Quelle allen Lebens darstellt. Eine Erfahrung und kurze Eroberung dieser Welt ist also auch eine vergebliche Rückkehr zum Ursprung: ein absurder metaphorischer Versuch, eine Millarden Jahre alte Entfremdung zu überwinden. Was Förster schließlich fand und teilweise bereits ahnte, war die Grenzenlosigkeit ihrer Umgebung. Was sie erlebte, war der freie Blick auf die lebendige Unterwasserwelt und die veränderte Wahrnehmung, die ebenso gefährlich wie faszinierend ist, wenn sich Temperatur, Druck, Licht und die Fähigkeit, diese Umgebung durch die eigenen Sinne zu überprüfen, verändern.
Als Fotografin konzentrierte sich die Künstlerin auf die wesentlichen Aspekte ihres Experiments unter Wasser und übersetzte sie mit einer analogen Mittelformatkamera und Diafilm in Bilder. Wir sehen keine seltsamen Tiefseekreaturen und auch keine Halluzinationen, die durch Stickstoffnarkose hervorgerufen werden, obwohl ihre Fotografien auf eine tiefe psychedelische Erfahrung hindeuten. Stattdessen versucht Förster, eine Bildsprache für das Taucherlebnis selbst zu finden - durch eine Fotoserie, in der sich Bilder von Wasser überschneiden, die keinen Hinweis darauf liefern, ob das Wasser von innen oder außen, von unten oder oben fotografiert wurde.
Die Grenzenlosigkeit des Meeres, die damit verbundenen scheinbar unendlichen Möglichkeiten und die Wahrnehmung der Schwerelosigkeit, die als Erfahrung auch eine körperliche Auflösung von Grenzen bewirkt, werden in den ebenso grenzenlosen Fotografien dargestellt. Als Ausstellungsform inszeniert Sara Förster dies auch als sinnliches Erlebnis, indem sie die Fotografien auf einem transparenten Hintergrund zeigt, in den der Betrachter visuell eintreten kann. Und sie präsentiert die Fotografien als Serie, deren Anfang und Ende nicht festgelegt sind.
Dabei enthüllt Förster ihr Medium und seine Verwendung und zeigt uns nicht nur die Motive, sondern auch ihren Träger: den Diafilm mit seinen nummerierten Einzelbildern. Sie konzentriert sich damit auf die zeitliche Abfolge, auf den Prozess und, durch die sich wiederholenden Farben, auf die Ähnlichkeit der Bilder sowie das Auf- und Abtauchen, welches tatsächlich eine Unterscheidung von Kategorien wie "oben" oder "unten" negiert. Die visuelle Rezeption der Fotos durch den Betrachter folgt diesem künstlerischen Prozess. Unsere Rezeptionskategorien werden in Frage gestellt, ebenso wie die Gewissheit der Wahrnehmung selbst. Es wird kein Wissen - auch nicht über das Apnoetauchen - vermittelt, da der Kern der Arbeit die Schärfung des Bewusstseins dafür ist, dass wir wahrnehmen.
Ingmar Lähnemann